Freitag, 15. Dezember 2017

Die harmlose Wanderung- eine kleine Geschichte

Als Monika heute Morgen gut gelaunt ins Büro kam, sah sie einen Zettel am Aushang, der bei ihr nicht gerade für einen Freudenausbruch sorgte.


Betriebsausflug am 12. März um 9 Uhr.
Der Betriebsrat lädt ein zum gemeinsamen Erklimmen des Hexenberges zusammen erleben wir eine
mehrstündige Wanderung mit Mittagsrast.

Oh du meine Güte! 
Monika wusste, dass sie bei dem Betriebsausflug nicht fehlen konnte. Andreas aus der Buchhaltung wäre mit Sicherheit auch dabei und auf den hatte sie schon länger ein Auge geworfen.
Was sollte sie tun? Gut zu Fuß war sie nun wirklich nicht und schon gar nicht wenn es den Berg hoch ging. Die Zeit reichte auch bis dahin nicht aus um noch zu trainieren. Als sie sich an ihren vollen Schreibtisch setzte und den verführerischen Kaffeeduft aus dem Büro nebenan wahrnahm, lag schon ein Zettel oben auf dem Stapel. Bitte für den Betriebsausflug anmelden und eintragen stand darauf (damit wir planen können) 
Zähneknirschend trug Monika sich auf den Zettel ein.
Wer war eigentlich auf die blöde Idee mit dem Berg gekommen? Hätte man nicht dort wandern können, wo es flach ist?
Abends ging sie noch mit ihrer Hündin um den Block und merkte einmal wieder, wie schlecht sie zu Fuß war. Glücklicherweise lag ihr Haus auf einer Ebene. In ihrem Kopf malte sie sich schon aus, wie sie schnaufend und japsend bei dem Betriebsausflug wanderte. Außer ihr war niemand in der ganzen Abteilung so füllig und schon gar nicht so unsportlich.
Sie schob den Gedanken zur Seite und dachte sich „Es ist ja noch zum Glück etwas Zeit bis dahin“

Der Tag kam schneller als erwartet. Die Busfahrt war sehr unterhaltsam und heiter, es wurde bereits morgens schon Prosecco getrunken und Monika hatte sich für den heutigen Tag besonders schick gemacht. Nur die Turnschuhe an ihren Füßen passten nicht so ganz zum restlichen Outfit. Andreas saß nur ein paar Reihen vor ihr im Bus, so konnte sie ihn unbemerkt von hinten beobachten und anschmachten.

Der Bus hielt nach gut zwei Stunden Fahrt in einem kleinen Tal. Die Gruppe stieg aus und voller Elan wurde losgewandert. Dabei erzählte Herr Schoberg aus der Lagerabteilung  Anekdoten über sein Leben und das früher alles besser war. Monika hätte ihm am liebsten den Apfel in ihrer Hand an den Kopf geworfen. Sie wollte so gerne die schöne Landschaft und Ruhe genießen. Der Wald war wirklich zauberhaft, ein wenig Nebel umhüllte die Bäume und es war eine klare Luft. Die Gruppe bewegte sich recht langsam was auch daran lag, dass Herr Schoberg zwischendurch oft stehen blieb um unnötigerweise etwas im Wald zu erklären. „Wir laufen noch so gut zwei Stunden, dann gibt es Rast“ sagte Frau Prenz die den ganzen Ausflug organisiert hatte. Als sie um die nächste Ecke bogen ging es nur noch berg auf. Monika begann zu schwitzen, ihr Make Up verabschiedete sich langsam durch die Schweißperlen in ihrem Gesicht. Wieso ging es hier jetzt nur noch den Berg hoch? Alle anderen waren scheinbar gut zu Fuß denn es wurde sich trotz des Aufstiegs noch locker unterhalten. Als Monika in ein Gespräch verwickelt wurde, schaffte sie nur noch zu nicken oder kurz „Aha“ oder Ach so“ wegen ihrer Kurzatmigkeit zu sagen. Die Füße taten ihr weh und sie verfluchte Frau Prenz für diese schwachsinnige Idee. Scheinbar war sie wirklich die Einzige, der es etwas ausmachte. Naja dachte sie, wenn die alle einen Rucksack mit Kiloweise Ziegelsteine auf dem Rücken hätten, würden sie auch nicht so locker hier hoch laufen.

Zwischendurch klappte es dann doch wieder mit der Motivation, welche sie aber nach kurzer Zeit wieder verließ. Der Berg schien kein Ende zu nehmen. So weit wie sie blicken konnte, ging es nur noch Berg hoch.
In ihrem Kopf hagelte es wieder Vorwürfe. Warum musste sie auch in den letzten Jahren so viel Süßes essen? Hatte sie nicht gesehen, dass sie jedes Jahr immer dicker wurde? Warum hatte sie nicht damit aufgehört als sie es noch konnte? Nun war es eh egal, sie war dick und rund. Von den Diäten hatte sie sich schon lange verabschiedet, das hatte ihr auch nicht weiter geholfen und sie hatte die abgenommenen Pfunde nach ein paar Monaten wieder drauf. Mittlerweile kam sie meistens ganz gut zurecht mit ihren Pfunden, wenn diese Unsportlichkeit und fehlende Kondition nicht wäre!
Alles jammern brachte nichts, die Gruppe ging weiter den Berg hoch. Zwischendurch verteilten sich die Leute anders und so kam es, das nun Andreas auch noch direkt neben ihr ging. Oh je, wie peinlich. Mit Sicherheit bemerkte er ihren hochroten Kopf und die vielen Schweißperlen im Gesicht.. Er verwickelte sie in ein Gespräch, aber Monika konnte immer noch nur kurz antworten. Nach wenigen Minuten ging er wieder weiter nach vorne, scheinbar dachte er, dass Monika kein Interesse an einem Gespräch hatte. So langsam merkte sie, dass es für sie immer schwerer wurde weiter zu gehen. Ihr Füße brannten und ihre Knie taten einfach nur weh. Was sollte sie nun machen? Sie konnte ja schlecht die ganze Gruppe bitten wieder zurück zu sehen. Zumal oben am Berg auch noch die Rast eingeplant war. 

Sie fragte bei Frau Prenz nach, wie weit es denn noch wäre. „Ach, das ist nicht mehr so weit, wir sind gleich da“ bekam sie zur Antwort. Das erinnerte sie irgendwie daran, dass sie als Kind so von ihren Eltern bei diversen Ausflügen motiviert worden war. Nach einer halben Stunde hatten sie es geschafft. Vor ihnen sah man endlich das Gasthaus und Monika fühlte sich, als würde sie auf dem Zahnfleisch gehen.
Völlig fertig ließ sie sich auf den Stuhl im Biergarten plumpsen. Mittlerweile stand die Sonne strahlend am Himmel und Monika genoss es, endlich sitzen zu können. Mit großer Bange dachte sie an den Rückweg. Den ganzen Weg wieder zurück zu gehen? Sie hatte keine Wahl, denn es würde wohl kaum ein Hubschrauber vor ihrer Nase landen und sie mitnehmen. Ein paar Tische weiter saß ebenfalls eine füllige Frau mit ihrer Familie und Monika schnappte ein paar Fetzen des Gespräches auf. „Was für ein doofer Berg, meine Güte, was war das anstrengend, ich kam mir vor wie ein Fass, welches man den Berg hochschiebt“ beschwerte die Frau sich lachend. „Der Papa kann ja das Auto nachher holen und du wartest dann hier“ sagte der Junge neben ihr. Die Frau atmete tief durch und lächelte.. „Das wäre wundervoll, dann kann ich hier noch etwas sitzen und ein Eis essen“ In diesem Moment wurde Monika bewusst, das dick zu sein fast so ähnlich ist wie eine Behinderung zu haben. Scheinbar ging die Frau aber ganz locker damit um denn es störte sie wohl nicht wirklich. Genüsslich schob sie sich die Pommes in den Mund. Ihr Mann und die Kinder machten sich auf den Rückweg und so blieb die Frau alleine am Tisch sitzen. Vor ihr stand mittlerweile ein großer Becher Eis mit Sahne. Monika hatte den Drang mit der Frau zu reden und so ging sie an ihren Tisch.

„Verzeihen sie die Störung, ich habe ein bisschen von ihrem Gespräch mitbekommen und hatte den Wunsch, sie anzusprechen.“ Die Frau zeigte auf den freien Platz neben sich. „Setzen sie sich doch, dann lässt es sich besser plaudern“ erwiderte die Frau.
Monika bestellte sich noch einen Kaffee und das Gespräch verlief wundervoll. Beide unterhielten sich angeregt über den blöden Berg und mit welcher Anstrengung sie zu kämpfen hatten. „Sie können auch mit uns runter fahren wenn mein Mann gleich mit dem Auto kommt“ Das war ein Glücksfall. „Oh ja, das mache ich wirklich gerne, ich sag nur kurz meinen Kollegen Bescheid“ sagte Monika und ging hinüber zu dem Tisch. „Das habe ich geklärt und ich freue mich sehr, dass ich nun den Berg nicht wieder runter laufen muss.“
Zum Schluss tauschten sie noch Telefonnummern aus und Monika war dankbar eine Verbündete getroffen zu haben. Nur Dicke verstehen scheinbar andere Dicke.



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