Dienstag, 7. August 2018

Verdammt! Wo kommen die ganzen Pfunde her?

In dieser kleinen Geschichte versuche ich herauszufinden, woher diese verdammten Pfunde kommen.

Heute Morgen war die Zeit mal wieder besonders knapp. Ich hatte den Wecker mehrfach auf stumm gedrückt und das rächte sich nun, denn unter der Dusche musste ich mich ziemlich beeilen. Während ich meinen üppigen Körper einschäumte, fiel mir doch glatt die Seife in die Duschwanne. Verdammt! fluchte ich.
Hast du eigentlich eine Ahnung, wie schwer es ist, sich mit einem dicken Bauch zu bücken? So versuchte ich mit dem Fuß die Seife an der Duschwand hoch zu drücken, was natürlich nicht funktionierte. Es blieb mir nichts anderes übrig, ich streckte meine Hand kopfüber nach der Seife aus…ach, endlich. 


Wie sehr ich diese dicke Wampe nicht leiden konnte! Fast überall behindert sie mich. Ich bin mittlerweile der Meinung, das schlimmste an meiner Figur ist echt mein Bauch. 

Wie gerne würde ich diesen Körper endlich auswechseln? Aber es gelingt mir nicht. Und je mehr ich mich über meine Figur aufrege, so ist mein Gefühl, desto schlimmer wird es. Verbessert hat sich, seitdem ich meinen Körper kritisiere, nämlich gar nichts.
Nach der Dusche quetschte ich mich in meine Jeans. Ja, quetschen war das richtige Wort, denn auch diese Hose war mal wieder zu eng geworden. Mittlerweile hatte ich fast nur noch Hosen mit Gummizug im Kleiderschrank.
Die Jeans über die Beine zu bekommen war noch ein leichtes aber dann… Luft anhalten und Knopf zumachen…uff, das wäre geschafft.  Jetzt bloß nicht tief einatmen.
Irgendwo hatte ich mal gelesen „Das, worauf du deine Aufmerksamkeit richtest, das wächst.“
Na prima, ich darf also dann gar nicht mehr an meinen dicken Bauch und die miserable Figur denken?


Im Büro gab es heute Kuchen, weil Monika, die ebenfalls üppige Kollegin, mal wieder gebacken hatte. Wenn ich da jetzt zugreife, ist der ganze Tag kalorienmäßig im Eimer, das war mir klar. Heute war ich stark und verzichtete, auch wenn meine Kollegin das überhaupt nicht verstehen konnte. Man, was war ich stolz auf mich! Es fühlte sich immer klasse an, wenn ich Süßigkeiten ablehnte.




Nach Feierabend ging ich wieder in meinen Garten und legte mich in die Hängematte. Die war an zwei großen und starken Bäumen fest gemacht, so dass ich auch mit meinen üppigen Rundungen nicht heraus fallen konnte. Ich liebe diese Hängematte, sie erinnert mich immer an meine Kindheit und an Omas Garten. Dort hatte ich damals auch eine.
Ich war hundemüde. Die Arbeit schlauchte mich momentan sehr, vor allem das frühe Aufstehen, weil ich nämlich seit ein paar Wochen Einschlafstörungen hatte. Dementsprechend gerädert war ich tagsüber. Und so döste ich auch dieses Mal schnell wieder ein und träumte mich davon. Sich weg zu träumen war schon immer eine gute Sache für mich, so konnte ich der Welt wenigstens für eine gewisse Zeit entfliehen.



Im Traum sah ich meinen dicken und unförmigen Körper im Badeanzug am Strand liegen so als würde ich über mir selbst schweben. Oh du meine Güte, ging es mir durch den Kopf, ich sehe wirklich aus wie ein Walfisch!  



„Wie kann man so schlecht aussehen? Wie gerne würde ich dich auswechseln“. sagte ich zu ihm „Ich mag dich wirklich nicht. Du bist dick, schwabbelig und hast überall Fettwulste.“
Plötzlich nahm ich eine weibliche Stimme wahr, sie schien irgendwie von weiter weg zu kommen.
„Das ist sehr schade, denn ich gehöre ja schließlich zu dir“
Woher kam diese Stimme? Wer war das? Bin ich jetzt etwa verrückt geworden, dass ich eine Stimme höre?
„Wer bist du?“ fragte ich neugierig.
„Na, ich bin natürlich dein Körper, du Dummerchen, du redest doch die ganze Zeit mit mir, oder dachtest du etwa, ich höre dich nicht?“
Ich war erschrocken. „Aber du kannst doch nicht reden??“
Scheinbar ja schon, wie du hören kannst.
Und ich habe alles mitgehört was du dein Leben lang über mich gesagt hast. Wie du dir vorstellen kannst, bin ich nicht sehr erfreut darüber.“
„Ja, aber- warum bist du auch so fett?“
Es war wirklich unheimlich, sich mit seinem eigenen Körper zu unterhalten.


„Warum ich so fett bin? Was ist das denn für eine blöde Frage?“ Der Körper schien etwas eingeschnappt zu sein. „Na weil du mich so gemacht hast!“
Ich??? Das kann ja nicht sein! Wie soll ich das denn gemacht haben?“ Ich war empört. Wieso musste ich mich hier im Traum eigentlich auf eine Diskussion einlassen?
„Wer denn dann? Oder meinst du, es ist ein Zauberer vorbei gekommen, der die Kilos auf deine Rippen gehext hat?
Wohl kaum. Also bist du es selbst gewesen. Basta.“
Ich war empört. „Das kann nicht sein!“ erwiderte ich. „Ich will bestimmt nicht diesen schwabbeligen, dicken Körper haben! Na gut, ich habe oft Süßigkeiten gegessen, aber so viele ja nun auch nicht, oder?“
„Oh doch, das waren schon einige. Aber egal, reden wir nicht drüber. Ich glaube trotzdem nicht, dass die Süßigkeiten Schuld sind.“ sagte die Körperstimme.
Nun war ich vollkommen verwirrt. Wer könnte denn sonst bitte schuld sein an meinem Gewicht, wenn nicht der Körper?
„Weißt du was, sagte plötzlich die Stimme des Körpers, lass uns mal den Verstand fragen, der könnte das wissen.“ Nun war ich echt verwirrt. „Wie soll man denn den Verstand befragen?“ fragte ich die Stimme des Körpers.
„Im Traum geht das. Komm einfach mit mir, der sitzt meistens in der Bücherei und rechnet oder liest etwas.“ 


Und genau so war es auch. Ich ging in ein Gebäude hinein und die Körperstimme folgte mir scheinbar.
Aus mir völlig unerklärlichen Gründen, wusste ich wo die Bücherei ist. Und da saß er. Ein älterer Herr mit Strickjacke und Cordhose gekleidet und wie schon vermutet in ein Buch vertieft.
„Guten Tag, sind sie der Verstand?“ fragte ich ihn direkt. Erst einmal blickte der alte Mann mich gar nicht an.
„Wer will das wissen?“ brummte er  in seinen grauen Bart. Ich stellte mich kurz vor und erzählte ihm, dass ich das alles scheinbar nur träumte. Das war hier alles wirklich mehr als unheimlich. Aber es schien so, als würde ich das wirklich erleben.
„Sind sie nun also der Verstand oder nicht?“ hakte ich nochmal nach. Er nickte nur.
„Können sie mir dann eine Frage beantworten?“ wieder nickte er nur.


„Warum bin ich so dick und woher kommt mein Übergewicht?“
„Das kann ich dir nicht beantworten. Dafür müsstest du mal überlegen, was du in den ganzen Jahren so gegessen hast, dann  deinen Kalorienverbrauch ausrechnen, deine Aktivitäten abziehen und das alles gegen rechnen, dann hast du deine Antwort.“
Scheinbar war der Verstand ein sehr kopflastiger Mensch, denn seine Aussage half mir auch nicht weiter. Ich ging aus dem Gebäude hinaus und setzte mich an den Straßenrand.
„Tja, lieber Körper, hier gab es auch keine Antwort.
Und was sollen wir jetzt tun?“ fragte ich.
„Mmmh, mal überlegen, sagte die Körperstimme, vielleicht weiß die Seele ja Bescheid?
Man sagt, die Seele ist allwissend und kennt auf alle Fragen eine Antwort. Sie zu finden, ist allerdings
nicht ganz so einfach, denn die meisten Menschen wissen gar nicht einmal, dass sie eine haben. Die Seele ist sehr bedeutend, aber die meisten Menschen möchten gar nicht mit ihr reden, weil sie scheinbar Angst davor haben, was sie sagen könnte.“ Ich wurde neugierig. Das klang wirklich sehr mysteriös.
„Ich glaube, die Seele wohnt im Wald oder am See, ich weiß es wirklich nicht.“ sagte die Körperstimme.
„Gehen wir einfach los, schlug ich vor vielleicht finden wir sie dann.“
Wie gut, dass das laufen im Traum so gar nicht anstrengend ist. Leicht wie eine Feder ging ich über die Straße, die in einen kleinen Wald hinein führte und das völlig ohne Anstrengung. Es fühlte sich so an, als wäre ich schon stundenlang unterwegs, als vor mir plötzlich eine Hütte auftauchte. Ob da die Seele darin wohnt? fragte ich mich.


Aus dem Schornstein kam Rauch, scheinbar war die Hütte also bewohnt, das war schon mal ein gutes Zeichen. Von außen machte sie einen sehr gepflegten Eindruck. Es gab einen Art Vorgarten und in diesem wuchsen Sonnen- und Mohnblumen, die sich sanft im Wind bewegten. Ich nahm meinen Mut zusammen und schaute durch eines der Fenster. Leider konnte ich so gar nichts erkennen.
Ob ich einfach klopfen sollte?
Ein bisschen ängstlich stand ich vor der Holztür und klopfte ganz sanft. Was würde mich jetzt erwarten? Nur ein paar Sekunden später öffnete sich die Tür und eine alte Frau mit hochgestecktem Haar fragte mich mit sanfter Stimme, was mein Anliegen sei. Sie trug eine blaue Strickjacke und einen schwarzen Faltenrock. Ihr Gesicht war freundlich und strahlte Weisheit aus.
„Hallo, stammelte ich…sind sie die Seele?“
„Ja, so in etwa.“ antwortete die alte Dame und bat mich herein. In der Hütte brannte ein Kaminfeuer und ein gemütlich aussehendes Sofa und Sessel luden ein, sich hinzusetzen.
„Ich habe dich schon erwartet“ sagte die alte Dame und bot mir einen Platz auf dem Sofa an. Ich schaute sie fragend an „Wieso denn das?“
Sie lächelte. „Weil kein Weg an der Seele vorbei geht“
„Aha, naja, nun bin ich ja hier und ich hoffe, dass du die Antworten hast, die ich unbedingt brauche.“ sagte ich zu ihr.
„Was hast du denn für Fragen?“
„Eigentlich ist es nur eine Frage, aber die ist mir unglaublich wichtig. Warum bin ich so dick und wer ist dafür verantwortlich?“
Frau Seele, so hatte ich sie mittlerweile genannt, schenkte uns Tee ein und lehnte sich dann entspannt in ihrem Sessel zurück.
Dann sagte sie etwas, was mir glatt den Boden unter den Füßen weg haute.
„Ich bin dafür verantwortlich.“
Ich dachte, ich hätte mich verhört. „Weißt du, Essen macht doch Freude, also dir macht es zumindest welche und es gab einige Erlebnisse in deinem Leben, die waren nicht ganz so leicht für dich. Erinnerst du dich noch an den Tod deiner Großmutter? Wie schwer das für dich war und wie wenig du in deiner Familie trauern durftest?“
Das hatte ich wohl völlig verdrängt, denn ich erinnerte mich nur noch an wenige Dinge, die damit zu tun hatten.
„Essen und die damit verbundenen guten Gefühle, waren für mich die einzige Lösung, mit dir zusammen über diese schwere Zeit hinweg zu kommen.“


„Wie bitte?“ Ich war erschrocken.
„Gab es denn keinen anderen Weg?“
Nein, damals nicht.“ sagte Frau Seele.
„Und was bedeutet das jetzt für mich?“ ich schaute sie fragend an.
„Das du dich noch einmal mit deinen alten Problemen beschäftigen musst, beziehungsweise mit deinen alten Gefühlen, die du nicht heraus lassen durftest.“
Das hörte sich für mich jetzt irgendwie nicht so erfreulich an.
„Dazu habe ich nicht so große Lust, Frau Seele“.
„Das ist in Ordnung, das musst du auch nicht, aber dann wird sich auch nichts verändern. Und übrigens hat das Dick-sein immer einen Grund, der mit mir, also mit der Seele zu tun hat. Aber da die meisten Menschen es bevorzugen, ohne meine Hilfe zu Recht zu kommen, steht es mir auch nicht zu, mich in ihr Leben einzumischen.“


Mit Frau Seele zu reden, war scheinbar nicht die schlechteste Idee wie ich fand.
„Was kann ich denn tun, um die Pfunde endlich loszuwerden?“
„Das habe ich doch schon gesagt, du musst die alten Gefühle heraus lassen, die immer noch in dir gespeichert sind. Manchmal stehen die Pfunde für Gefühle, aber das ist bei jedem Menschen unterschiedlich.“ Frau Seele trank von ihrem Tee.
„Du sag mal, bist du jetzt eigentlich nur meine Seele, also hat jeder Mensch eine eigene?“
Sie lächelte. „Ja das bin ich, ich bin nur deine. Jede Seele ist unterschiedlich. Wäre ja auch sonst etwas viel zu tun für mich alleine.
Aber weißt du was? Für heute ist unsere Unterhaltung zu Ende. Du hast ja erstmal einiges, worüber du nachdenken kannst.“


Ich ging Richtung Tür. „Darf ich wieder kommen?“
„Jederzeit. Du bist willkommen. Immer.“ Sanft drückte sie meine Hand und im nächsten Moment sah ich die Wolken am Himmel über meiner Hängematte. Was für ein Traum! dachte ich und ging in das Haus hinein.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen